Helen Goh – Backen und der Sinn des Lebens

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1. Eckdaten

Titel: „Backen und der Sinn des Lebens“, engl. Originaltitel: „Baking & The Meaning of Life“

Autorin: Helen Goh

Verlag: DK (englische Ausgabe: Murdoch Books)

Erscheinungsjahr: dt. Ausgabe erscheint Ende Februar 2026 (2025 (UK/AUS))

2. Inhalt und Konzept

„Baking & the Meaning of Life“ – „Backen und der Sinn des Lebens“ – schon dieser Titel verrät, dass es hier um weit mehr geht als um Kuchen, Kekse und Krümel. Helen Goh, bekannt als Ottolenghis kreative Mitstreiterin bei „Sweet“ und „Comfort“, hat ein Buch geschrieben, das zugleich Memoir, Backbuch und Lebensphilosophie ist. Sie nimmt uns mit auf eine Reise durch ihre eigene Geschichte – von ihrer Kindheit in Malaysia über den Neuanfang in Australien bis zu ihrer Arbeit als Psychologin und Patissière in London. Und sie stellt dabei eine einfache, aber tief berührende Frage: Warum eigentlich Kuchen?

Warum ist Backen für so viele von uns so bedeutsam – tröstend, verbindend, sinnstiftend? Helen Goh verwebt rund 100 Rezepte mit Gedanken aus der existentiellen Psychologie – und mit den großen Themen unseres Menschseins: Nähe, Fürsorge, Gemeinschaft, Erinnerung, Kreativität. Sie beschreibt, wie Backen helfen kann, das Leben zusammenzuhalten – Stück für Stück, Schicht für Schicht, wie ein liebevoll geschichteter Kuchen. In jedem Kapitel finden sich Rezepte, die kleine Geschichten erzählen – ein Apfelkuchen, der Heilung symbolisiert, ein Pistazienriegel, der geteilt werden will, ein Schokoladen-Tahini-Kuchen als Liebesbeweis, ein Cornbread-Muffin als Zeichen von Gemeinschaft.Philosophisch und zugleich zutiefst alltagstauglich, feiert Helen Goh das Backen als Lebenskunst – als achtsames Tun, das uns stärkt, verbindet und tröstet. Ein Buch, das nach Mehl duftet, in Butter schwelgt und zugleich nach Leben schmeckt.

Struktur des Buches
Das Buch ist in sieben Kapitel gegliedert, die jeweils einer Dimension gewidmet sind, in der Backen Sinn stiftet – inspiriert von Helen Gohs psychologischem Hintergrund und ihrem Verständnis von Verbundenheit, Fürsorge und Kreativität.

Giving, Receiving & Sharing – Geben, Annehmen & Teilen

Dieses erste Kapitel öffnet das Buch mit einer zutiefst menschlichen Geste: dem Schenken. Helen Goh beginnt mit einer Kindheitserinnerung – dem ersten Geschenk, das sie jemals bewusst gegeben hat: ein kleines, besticktes Portemonnaie, das sie nach ihrem Umzug von Malaysia nach Australien an ihre Babysitterin Peggy schickte. Dieses unscheinbare Geschenk wird zum Symbol für Verbindung über Zeit und Entfernung hinweg – und für die Sehnsucht, durch Geben Beziehung zu bewahren.

Sie reflektiert darüber, dass echtes Geben immer auch ein Stück von sich selbst weitergibt – sei es Zeit, Aufmerksamkeit oder ein frisch gebackener Kuchen. Backen wird so zum Akt der Zuwendung, zum Ausdruck von Verbundenheit, aber auch von Authentizität. Das Kapitel beschreibt, wie Geben, Empfangen und Teilen ein empfindliches Gleichgewicht bilden – getragen von Gegenseitigkeit, Dankbarkeit und der Freude am Teilen. Helen Goh verbindet das mit psychologischen Begriffen wie Autonomie, Kompetenz, Verbundenheit, Fürsorge und Kreativität – also genau jenen Qualitäten, die ein sinnvolles Leben ausmachen.

Ihr Fazit ist so schlicht wie berührend: Ein Geschenk, das wir mit unseren eigenen Händen machen – sei es ein Kuchen, ein Brot oder ein Keks – ist immer mehr als die Summe seiner Zutaten. Es ist ein Stück Aufmerksamkeit, Liebe und Zeit, das wir weitergeben.

Rezepte aus dem Kapitel „Giving, Receiving & Sharing“:

  • Chocolate Mousse Tart with Ginger-Poached Pears – Schokoladen-Moussetarte mit in Ingwer pochierten Birnen
  • Apricot Galettes with Chrysanthemum Frangipane – Aprikosengalettes mit Chrysanthemen-Frangipane
  • Peach & Blueberry Buckle with Hazelnut Crumble – Pfirsich-Blaubeer-Buckle Cake mit Haselnuss-Streuseln
  • Pistachio & Dried Sour Cherry Scrolls – Pistazien-Schnecken mit getrockneten Sauerkirschen
  • Vanilla & Nutmeg Crème Caramels – Vanille-Muskat-Crème Caramel (glutenfrei)
  • Puttanesca Galette with Lemon Ricotta – Puttanesca-Galette mit Zitronen-Ricotta
  • Hojicha Shortbread – Shortbread mit geröstetem Grüntee (Hojicha)
  • Cracked Wheat Loaf – Bulgurbrot
  • Potato, Garlic & Rosemary Focaccia – Focaccia mit Kartoffeln, Knoblauch & Rosmarin
  • Gnocco Fritto – Frittierte Teigklöße
  • Dutch Baby Pancake with Mortadella & Rocket – Ofenpfannkuchen mit Mortadella & Rucola
  • Dutch Baby Pancake with Berries & Yoghurt Cream – Ofenpfannkuchen mit Beeren & Joghurtcreme
  • Chocolate, Rosemary & Hazelnut Financiers – Schokoladen-Rosmarin-Haselnuss-Financiers
  • Roasted Pineapple with Coconut Fluff Cream – Geröstete Ananas mit Kokos-Fluff-Creme (vegan & glutenfrei)

Das Kapitel wechselt mühelos zwischen Süßem und Herzhaftem, zwischen Keksdose und Brotlaib, und verdeutlicht damit, dass Geben viele Formen haben kann – ein stilles Dankeschön, ein Zeichen der Zuneigung oder einfach ein Stück gemeinsamer Genuss.

Nurturing – Pflegen & Nähren

In diesem Kapitel widmet sich Helen Goh der fürsorglichen Seite des Backens – dem Nähren, Trösten und Begleiten. Während Geben und Empfangen immer auch ein stilles Gegenspiel von Erwartung und Gegenseitigkeit in sich tragen, beschreibt sie Nurturing als eine Form des Handelns, die frei ist von jeder Erwartung. Pflegen bedeutet hier: etwas zu tun, weil man es möchte – nicht, weil man eine Reaktion erwartet.

Ausgehend von ihrer psychologischen Perspektive erklärt Goh, dass Nurturing einer der bedeutendsten Wege ist, wie Menschen Sinn im Leben finden. Es geht um Verbundenheit, Fürsorge und Wachstum – um das Tun aus Liebe und innerer Motivation. Das kann sich auf Kinder beziehen, auf Freundinnen, auf Schülerinnen oder Kolleg*innen, aber genauso auf Pflanzen, Tiere oder Projekte. Nurturing ist für sie immer ein Ausdruck von Aufmerksamkeit, Verantwortung und Zuwendung.

Besonders berührend beschreibt sie das Backen mit ihren beiden Söhnen. Ihr jüngerer Sohn interessiert sich fürs Mitmachen, für das Aufschlagen von Eiern, das Rühren und das Abschmecken – und Goh erkennt darin eine Form des gemeinsamen Lernens. Für sie bedeutet das Pflegen, die Neugier eines Kindes zu fördern, Geduld zu lehren und zu zeigen, dass das Gelingen – oder auch das Scheitern – Teil jedes echten Lernprozesses ist. Sie sieht darin eine Form von Fürsorge, die Wachstum möglich macht.

Backen wird so zu einer stillen Geste des Nährens: ein Apfelkuchen für eine erkrankte Freundin, ein Madeleinein der Brotdose eines Kindes, ein Crumble für einen kalten Winterabend. Diese einfachen, kleinen Handlungen sind für Goh Ausdruck eines achtsamen, liebevollen Lebensstils – und Teil einer Haltung, die sie als „essence of savouring life“ beschreibt: das bewusste Genießen des Lebens, durch das, was wir anderen geben.

Rezepte aus dem Kapitel „Nurturing“

  • A Very Good Apple Pie – Ein richtig guter Apfelkuchen
  • Chocolate Cake for Everyone – Schokoladenkuchen für alle (vegan)
  • Green Tea & Red Bean Brownies – Brownies mit grünem Tee und roten Bohnen
  • Crisp & Chewy Chocolate Chip Cookies – Knusprig-weiche Chocolate Chip Cookies (vegan)
  • Plum & Pistachio Bars – Pflaumen-Pistazien-Riegel
  • Jude’s ‘Bababka’ with Chocolate & Halva – Judes Bababka mit Schokolade und Halva
  • Banana, Pecan & Chia Bread – Bananen-Pekan-Chia-Brot (vegan)
  • Rice Pudding with Plums & Cardamom – Milchreis mit Pflaumen und Kardamom (glutenfrei)
  • Apple, Blackberry & Yuzu Crumble – Apfel-Brombeer-Yuzu-Crumble
  • Lao Gan Ma Cheese Biscuits – Käsegebäck mit Lao-Gan-Ma-Chilisauce
  • Lunchbox Madeleines – Madeleines für die Brotdose
  • Wholemeal Sultana & Walnut Loaf – Vollkornbrot mit Sultaninen und Walnüssen
  • Pita Cheese Crispies – Knusprige Pita-Käse-Cracker
  • Red Curry Chicken & Vegetable Pies – Hähnchen-Gemüse-Pies mit rotem Curry
  • Caramelised Cinnamon Doughnut Cake – Karamellisierter Zimt-Donut-Kuchen
  • Maple Graham Crackers – Ahorn-Graham-Kekse (vegan)

Dieses Kapitel ist warm, tröstlich und liebevoll. Es zeigt, dass „Nähren“ weit über das körperliche Füttern hinausgeht – es bedeutet, Vertrauen zu schenken, Mut zu machen und anderen Raum zu geben, um zu wachsen. Helen Goh macht deutlich, dass jedes Stück Kuchen, das mit Fürsorge gebacken wird, letztlich ein stilles „Ich sehe dich“ ist.

Celebrating – Feiern & Innehalten

Im dritten Kapitel widmet sich Helen Goh dem Feiern – nicht im lauten, glitzernden Sinn, sondern als bewusstes Innehalten, als Moment der Dankbarkeit und des Teilens. Sie beginnt mit einer Szene aus dem Film „Ein Zwilling kommt selten allein“, in der ein einfaches Essen zu einem Akt der Liebe und des Wiedersehens wird. Diese Szene steht für das, was Goh unter Feiern versteht: das Bedürfnis, einen besonderen Augenblick zu würdigen, jemandem Zuwendung zu schenken und das Leben im Kleinen zu zelebrieren.

Feiern, so beschreibt sie, bedeutet, Bedeutung sichtbar zu machen. Ob Geburtstage, Abschlüsse, Wiedersehen oder das Ende eines Projekts – es sind die Rituale, die unser Leben gliedern und uns erkennen lassen, wie sehr wir verbunden sind. Dabei spielt Essen, besonders Gebackenes, eine einzigartige Rolle: Es geht nicht ums Überleben, sondern um Freude, Sinnlichkeit, Textur und Geschmack. Genau deshalb, schreibt Goh, feiern wir die wirklich wichtigen Dinge im Leben mit Kuchen.

Sie erinnert daran, dass Feiern uns nicht nur mit den Menschen verbindet, die wir lieben, sondern auch mit der größeren Gemeinschaft, der wir angehören. Sie erzählt, wie sie gemeinsam mit Freund*innen den Sieg der australischen Fußballnationalmannschaft der Frauen – der Matildas – mit einem eigens kreierten Kuchen beging, dem Matildas Tribute Cake. Ebenso ließ sie sich vom Krönungsereignis in Großbritannien inspirieren und schuf ihre King’s Coronation Scones mit Morello-Kirschmarmelade. Feiern bedeutet für sie, sich in kollektive Freude einzureihen, sich mit anderen zu verbinden und gemeinsame Werte zu leben.

Doch Goh schreibt auch über das Feiern des eigenen Weges – darüber, dass viele Menschen es schwieriger finden, gefeiert zu werden, als selbst zu feiern. Anerkennung anzunehmen, Erfolge zu teilen oder sich selbst zu erlauben, stolz zu sein, sind für sie ebenfalls Formen des Wachstums. Das letzte Rezept dieses Kapitels, der Champagne & Blackcurrant Celebration Cake, entstand genau aus diesem Impuls heraus – als Goh ihr Manuskript beendet hatte und sich erlaubte, diesen Moment zu feiern.

Rezepte aus dem Kapitel „Celebrating“

  • Matildas Tribute Cake – Matildas-Tribute-Kuchen
  • King’s Coronation Scones with Morello Cherry Jam – Königliche Krönungs-Scones mit Sauerkirschmarmelade
  • Giant Chocolate Macaron with Chestnut & Chantilly Cream – Riesiger Schokoladen-Macaron mit Kastanie und Schlagsahne (glutenfrei)
  • Wimbledon Cake – Wimbledon-Kuchen
  • Brown Butter Durian & Almond Brownie – Brownie mit brauner Butter, Durian (Stinkfrucht) und Mandeln
  • Ottolenghi Lemon & Labneh Cake – Zitronen-Labneh-Kuchen à la Ottolenghi
  • Broccoli, Leek & Ricotta Pie – Brokkoli-Lauch-Ricotta-Pie
  • Chocolate Tahini Cake with Sesame Brittle – Schokoladen-Tahini-Kuchen mit Sesamkrokant
  • Banoffee ‘Ice Cream’ Cake – Banoffee-Eiskuchen (vegan & glutenfrei)
  • Chocolate Ginger Beer Cake – Schokoladen-Ingwerbier-Kuchen
  • Champagne & Blackcurrant Celebration Cake – Champagner-Schwarze-Johannisbeer-Festkuchen
  • Carpathian Mountain Birthday Cake – Karpaten-Geburtstagskuchen

In „Celebrating“ zeigt Helen Goh, dass das Feiern nicht nur große Anlässe meint, sondern die vielen kleinen Momente des Lebens – ein Erfolg, ein Neubeginn, ein Wiedersehen, ein stilles Glück. Sie erinnert uns daran, dass wir mit Kuchen nicht nur andere feiern, sondern auch das Leben selbst – in all seinen süßen, vergänglichen Augenblicken.

Remembering & Continuity – Erinnern & Verbunden bleiben

Im 4. Kapitel geht es um das Erinnern – an Menschen, Orte und Geschmäcker, die uns geprägt haben – und um das, was bleibt. Helen Goh erzählt von ihrem Großvater, der einst aus China nach Malaysia kam, bevor ihre Familie nach Australien auswanderte. Sie erinnert sich an die Geschichten, die man über ihn erzählte, an seine Geduld, seine Güte und die Süßigkeiten, die er den Kindern schenkte. Diese Erinnerungen sind nicht nur Anekdoten, sondern Teil eines größeren Zusammenhangs: Sie stiften Identität, Zugehörigkeit und Kontinuität.

Goh beschreibt, wie wichtig es für ein sinnerfülltes Leben ist, das eigene Dasein als zusammenhängend zu begreifen – als etwas, das sich über Zeit und Generationen hinweg verbindet. Erinnerungen, sagt sie, halten Beziehungen lebendig – selbst zu Menschen, die nicht mehr da sind oder die man nie persönlich kennengelernt hat. Durch das Erzählen, Kochen und Teilen ihrer Geschichten bleiben sie Teil unseres Lebens.

Besonders deutlich wird das für sie im Backen. Rezepte sind wie Fäden, die Familiengeschichten miteinander verweben. Sie werden weitergegeben, verändert, neu interpretiert – und tragen doch den Geschmack des Ursprungs in sich. So kann ein einfacher Frühstückskuchen zu einem Stück Familiengeschichte werden, oder ein Rezept, das man aus Kindheitstagen kennt, plötzlich Trost spenden. Helen Goh spricht von einem „sense of coherence“ – einem Gefühl von innerem Zusammenhang, das entsteht, wenn wir unsere früheren Versionen von uns selbst anerkennen. Auch in ihren eigenen Erinnerungen ist das Essen der rote Faden: die süßen Brote, die sie als Kind liebte, die Kopi Cakes mit gesüßter Kondensmilch, die Barbecues im Park nach dem Umzug nach Australien, der Lieblings-Orangenkuchen aus ihrer Zeit als Cafébesitzerin. Jedes dieser Gerichte ist für sie ein Stück gelebter Vergangenheit – ein Geschmack, der über Jahre hinweg Bedeutung trägt.

Backen ist für Goh eine Form, die eigene Geschichte zu bewahren und gleichzeitig weiterzuschreiben. Es verbindet das Vergangene mit dem Jetzt – und schafft einen Raum, in dem Erinnerungen nicht verblassen, sondern neu aufblühen.

Rezepte aus dem Kapitel „Remembering & Continuity“

  • Italian Breakfast Cake with Olive Oil & Polenta – Italienischer Frühstückskuchen mit Olivenöl und Polenta
  • Peanut & Goji Berry Rice Krispies – Erdnuss-Goji-Beeren-Reiskrispies (glutenfrei)
  • Baked Nashi Pears with Five-Spice – Gebackene Nashibirnen mit Fünf-Gewürz-Pulver (glutenfrei)
  • Chocolate ‘Turtle’ Puddings – Schokoladen-„Schildkröten“-Puddings
  • Favourite Orange Cake – Lieblings-Orangenkuchen
  • Quince Tarte Tatin with Normandy Cream – Quitten-Tarte-Tatin mit Normandie-Creme
  • Kopi Cakes with Peanut Honeycomb – Kaffee-Kuchen mit Erdnuss-Honigwabe
  • Grissini with Nori & Shichimi Togarashi – Grissini mit Nori-Alge und Shichimi-Togarashi
  • Prawn Sambal Buns – Garnelen-Sambal-Brötchen
  • Strawberry Iced Finger Buns – Milchbrötchen mit Erdbeer-Zuckerguss
  • Roasted Vegetable ‘Pasties’ with Kimchi & Cheddar – Gemüse-Pasteten mit Kimchi und Cheddar
  • Crepes with Red Bean Paste & Walnut Praline – Crêpes mit roter Bohnenpaste und Walnuss-Praline
  • Lemon Ricotta Cheesecake – Zitronen-Ricotta-Käsekuchen
  • Pandan & Coconut Chiffon Cake – Pandan-Kokos-Biskuit
  • Upside Down Pineapple Cake with Salted Tamarind Caramel – Gestürzter Ananaskuchen mit gesalzenem Tamarindenkaramell

In diesem Kapitel schlägt Helen Goh einen sehr persönlichen Ton an und die Rezepte bilden gut mit den gewählten Zutaten ihre eigene Migrationsgeschichte ab. Sie verbindet den Geschmack der Vergangenheit mit der Frage, wie wir unsere Geschichte lebendig halten können. Erinnern wird hier zu einem Akt des Kochens und Backens – einer Geste, die uns mit unseren Wurzeln verbindet, während wir zugleich neue Erinnerungen schaffen.

Community & Belonging – Gemeinschaft & Dazugehören

In diesem Kapitel geht es um das, was uns verbindet – um Gemeinschaft, Zugehörigkeit und das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein. Helen Goh beginnt mit einer Beobachtung, die zugleich psychologisch und zutiefst menschlich ist: Menschen, die aktiv in ihrer Gemeinschaft eingebunden sind, empfinden in der Regel mehr Sinn, Zufriedenheit und innere Stabilität. Wir brauchen Zugehörigkeit so sehr wie Nahrung oder Luft – sie ist, wie Goh schreibt, Teil unserer Natur.

Sie beschreibt, wie wir von Geburt an in Gemeinschaften hineingeboren werden – zunächst in die unserer Familien, später in Schulklassen, Freundeskreise, Vereine, berufliche Netzwerke oder digitale Gemeinschaften. Manche begleiten uns ein Leben lang, andere lösen sich mit der Zeit auf. Doch in allen liegt die Möglichkeit, Sinn zu erfahren, weil wir uns als Teil eines größeren Ganzen erleben.

Goh reflektiert auch, dass Zugehörigkeit nicht erzwungen werden kann. Wenn Gemeinschaften nicht mehr zu uns passen, wenn Glaube, Werte oder Lebensentwürfe sich verändern, kann es schmerzhaft, aber notwendig sein, sie zu verlassen. Echte Zugehörigkeit, schreibt sie, entsteht dort, wo wir uns bewusst und freiwillig einbringen – wo wir uns selbst als Teil einer Gruppe erkennen, weil sie mit unseren eigenen Überzeugungen im Einklang steht.

In ihrem eigenen Leben findet Helen Goh dieses Gefühl in unterschiedlichen Kreisen: in der Elternschaft an der Schule ihrer Kinder, in Bäcker*innengruppen, in Online-Communities und Freundschaften rund um das Thema Essen. Sie beschreibt, wie gemeinsames Backen – sei es bei Wohltätigkeitsaktionen, in Cafés oder über Social Media hinweg – Gemeinschaft stiften kann. Ein Beispiel dafür ist der One Penny Cake, den sie für einen Schulbazar backte, oder das Fundraising Cornbread, das sie bei Spendenaktionen für Flutopfer einsetzte. Diese Momente zeigen, dass Backen nicht nur ein Akt des Gebens ist, sondern auch ein Weg, Verbindung zu schaffen.

Das Kapitel ist geprägt von Wärme und gegenseitiger Wertschätzung. Goh erzählt von Menschen, die sie über das Backen kennengelernt hat, und von der Freude, die entsteht, wenn sich gemeinsame Leidenschaft in echte Nähe verwandelt. Sogar in der Online-Welt sieht sie die Chance, durch gemeinsame Interessen Zugehörigkeit zu erleben – ein digitaler Ort, an dem Menschen sich gegenseitig inspirieren, Ideen austauschen und Trost finden.

Rezepte aus dem Kapitel „Community & Belonging“

  • Blueberry & Vanilla Sugar Crackle Loaf – Blaubeer-Vanille-Kuchen mit Zuckerglasur
  • Pistachio & Cumquat Amaretti – Pistazien-Kumquat-Amaretti (glutenfrei)
  • Pickled Jalapeño & Cheddar Scones – Scones mit eingelegten Jalapeños und Cheddar
  • Rhubarb, Vanilla & Almond Tessellated Cake – Dekorativer Rhabarber-Vanille-Mandel-Kuchen
  • Fruit & Nut Biscotti with Orange & Fennel – Frucht-Nuss-Biscotti mit Orange und Fenchel
  • Iced VoVo Mini Cakes – Eis-Mini-Kuchen nach VoVo-Art
  • Biko with Salted Coconut Caramel – Biko mit gesalzenem Kokoskaramell (vegan & glutenfrei)
  • Fundraising Cornbread – Maisbrot für den guten Zweck
  • Plum, Almond & Lime Baby Cakes – Pflaumen-Mandel-Limetten-Küchlein
  • Pistachio & Pomegranate Madeleines – Pistazien-Granatapfel-Madeleines (glutenfrei)
  • (Very Addictive) Chewy Cheese Puffs – Hochgradig süchtig machende Käse-Puffs (glutenfrei)
  • Hazelnut Coffee Thins – Haselnuss-Kaffee-Plätzchen
  • Lamb Schwarma Cigars – Lamm-Schwarma-Zigarren
  • One Penny Cake – Ein-Penny-Kuchen
  • Nat’s Double Drizzle Lemon Loaf Cake – Zitronenkuchen mit doppeltem Zuckerguss nach Nat
  • Spinach & Coconut Cake with Cream Cheese Icing – Spinat-Kokos-Kuchen mit Frischkäseglasur

Dieses Kapitel zeigt, dass Backen eine Brücke schlagen kann – zwischen Generationen, Kulturen und sogar über Kontinente hinweg. Gemeinschaft entsteht nicht nur durch gemeinsame Werte, sondern auch durch geteilte Aromen, Rezepte und Rituale. Helen Goh beschreibt diese Form des Dazugehörens als etwas zutiefst Menschliches – eine Einladung, die Welt durch Freundlichkeit, Geschmack und ein Stück Kuchen miteinander zu verbinden.

Ritual & Tradition – Rituale & Traditionen

In diesem Kapitel geht Helen Goh den großen und kleinen Gewohnheiten nach, die unser Leben strukturieren, Halt geben und uns ein Gefühl von Zugehörigkeit vermitteln. Rituale und Traditionen, so beschreibt sie, sind das unsichtbare Gewebe, das Familien, Freundeskreise und Kulturen zusammenhält. Sie verleihen unserem Alltag Bedeutung und schaffen Kontinuität – gerade in Zeiten des Wandels.

Goh erzählt von den Festen, an denen sie selbst teilnimmt: chinesische Neujahrsfeiern, Thanksgiving mit amerikanischen Freund*innen, Laternenfeste, Weihnachtsbäckerei. All diese Momente sind Ausdruck eines gemeinsamen Rhythmus, eines kulturellen Pulsschlags, der über Generationen hinweg wirkt. Doch für sie geht es dabei nicht nur um Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, sondern auch darum, eigene Traditionen zu gestalten.

Besonders spannend beschreibt sie, wie sich Traditionen im Laufe der Zeit verändern. Wenn sie etwa ein klassisches Rezept in eine neue Richtung führt – zum Beispiel eine mexikanisch inspirierte Variante eines Weihnachtskekses ausprobiert oder eine asiatische Zutat in einen altbekannten Teig einfügt – dann ist das kein Bruch, sondern Weiterentwicklung. „Puristen mögen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen“, schreibt sie sinngemäß, „aber das Wichtigste ist, den Geist der Tradition zu bewahren, nicht die starre Form.“

Sie macht deutlich, dass viele Rituale und Bräuche ihren Wert daraus ziehen, dass sie über Generationen weitergegeben wurden – doch ebenso können neue, persönliche Gewohnheiten zu echten Traditionen werden. Goh erzählt von kleinen familiären Ritualen wie der Gewohnheit ihrer Schwester Lucy, jeden Samstagmorgen eine Tüte Milchbrötchen vorbeizubringen – ein unscheinbares, aber über Jahre liebgewonnenes Ritual, das zu einem Symbol von Nähe und Fürsorge geworden ist.

Traditionen, so zeigt sie, sind immer im Wandel. Manche verschwinden, wenn die Menschen, die sie getragen haben, nicht mehr da sind. Andere entstehen neu, manchmal zufällig, manchmal bewusst. Entscheidend ist, wie wir sie leben und weitergeben. Ob große Feste oder kleine Gesten – sie alle erzählen von unserem Bedürfnis nach Beständigkeit, Verbindung und Sinn.

Rezepte aus dem Kapitel „Ritual & Tradition“

  • Anzac Cake – Anzac-Kuchen
  • Challah with Artichoke & Bean Hummus – Challah-Brot mit Artischocken-Bohnen-Hummus
  • Karipap – Malaysische Curry-Pasteten
  • Ginger, Orange & Almond Florentines – Florentiner mit Ingwer, Orange und Mandeln (glutenfrei)
  • Apple Cakes with Ginger Glaze – Apfelküchlein mit Ingwer-Glasur
  • Winter Pavlova with Cranberry & Lime – Winter-Pavlova mit Cranberry und Limette (glutenfrei)
  • Travelling ‘Speckled Bread’ – Weit gereistes Walisisches Teebrot
  • Ten Layer Honey Cake – Zehnschichtiger Honigkuchen
  • Peanut & Black Sesame Sand Biscuits – Erdnuss-Schwarzsesam-Kekse
  • Coconut Tuiles – Kokos-Hippen
  • Vanillekipferls – Vanillekipferl
  • Shoo Fly Buns – Shoo-Fly-Brötchen
  • Golden Syrup Nut Tart with Figs – Nuss-Tarte mit Goldsirup und Feigen
  • Pineapple Ma’amoul – Ananas-Ma’amoul

Dieses Kapitel ist eine Hommage an das Weitergeben – von Rezepten, Erinnerungen und Gesten. Helen Goh zeigt, dass Backen immer auch ein kultureller Dialog ist: zwischen dem Alten und dem Neuen, zwischen Heimat und Wandel. Rituale, schreibt sie, sind die Sprache, mit der wir unsere Verbundenheit ausdrücken – ob mit Familie, Freunden oder mit dem eigenen inneren Zuhause.

Learning, Growth & Achievement – Lernen, Wachsen & Ankommen

Im abschließenden 7. Kapitel ihres Buches widmet sich Helen Goh dem Wachsen – als Bäckerin, als Mensch, als jemand, der nie aufhört zu lernen. Sie schreibt über die Freude am Entdecken, über Neugier, Geduld und die stille Zufriedenheit, die entsteht, wenn man sich Schritt für Schritt weiterentwickelt.

Während die vorherigen Kapitel von Beziehung, Gemeinschaft und Verbundenheit handeln, richtet sich der Blick hier nach innen. Goh beschreibt das Backen als einen Prozess, in dem Autonomie und Kreativität im Mittelpunkt stehen. Hier geht es nicht um das Schenken, Pflegen oder Feiern, sondern um das eigene Lernen – um die Fähigkeit, Neues zu wagen, Fehler zu machen und daran zu wachsen.

Sie erzählt, dass sie sich das Backen ursprünglich selbst beigebracht hat – durch Lesen, Ausprobieren, Beobachten. Noch heute, sagt sie, findet sie Inspiration in Kochbüchern, Podcasts und Gesprächen mit anderen Bäcker*innen. Jede neue Zutat, jede Technik ist für sie eine Gelegenheit, sich weiterzuentwickeln. Dabei kann das Lernen sowohl in der Perfektion eines schwierigen Desserts liegen, als auch in der schlichten Freude, neue Aromen zu entdecken. Goh beschreibt diese Erfahrung als Balance aus Frustration und Erfüllung: Wenn etwas misslingt, ist das Teil des Lernprozesses – wenn es gelingt, entsteht ein Moment echten Stolzes. Doch es geht ihr nie um Perfektion, sondern um Erkenntnis. Jede neue Erfahrung, jede Zutat, die sie aus einer Reise mitbringt oder von anderen lernt, erweitert ihren Horizont. Und selbst wenn sie ihre neuen Kreationen schließlich teilt – etwa mit ihrem Mann, der tapfer ihre stetigen Backexperimente verkostet –, steht die Freude am Lernen im Vordergrund. Backen ist für sie ein Spiegel des Lebens: Es geht nicht darum, anzukommen, sondern darum, unterwegs zu sein.

Rezepte aus dem Kapitel „Learning, Growth & Achievement“

  • Perfect Vanilla Cupcakes – Perfekte Vanille-Cupcakes
  • Passionfruit & Dandelion Cookies – Passionsfrucht-Löwenzahn-Kekse
  • Napkin Cakes with Jam & White Chocolate Cream – Serviettenküchlein mit Marmelade und weißer Schokoladencreme
  • Donovans Chocolate Hazelnut Bombe Alaska – Donovans Schoko-Haselnuss-Bombe Alaska
  • Breton Butter Cake with Apple & Prune – Bretonischer Butterkuchen mit Apfel und Backpflaume
  • Sticky Date Pudding with Miso Butterscotch – Sticky-Date-Pudding mit Miso-Butterscotch (vegan)
  • Carrot Layer Cake with Buckwheat Praline – Karotten-Schichtkuchen mit Buchweizen-Praline (glutenfrei)
  • Lemon, Lime & Orange Brûlée Tart – Zitronen-Limetten-Orangen-Brûlée-Tarte
  • Hojicha Cheesecake – Hojicha-Käsekuchen
  • Pear, Pepper & Parmesan Cake – Birnen-Pfeffer-Parmesan-Kuchen
  • Gypsy Tart with Bay Leaves & Cereal Crumble – Gypsy-Tarte mit Lorbeer und Cerealien-Crumble
  • Olive Oil Tortas with Sesame & Orange – Olivenöl-Tortas mit Sesam und Orange
  • Persimmon & Pecan Cake with Maple Icing – Kaki-Pekan-Kuchen mit Ahorn-Zuckerguss

Helen Goh endet ihr Buch mit einem Gedanken, der das Ganze wunderbar abrundet: Lernen ist kein Ziel, sondern eine Haltung. Backen, sagt sie, sei für sie eine Form des Staunens – ein ständiges Weiterfragen, Ausprobieren und Wachsen. Und genau darin liegt der tiefste Sinn dieses Buches: im bewussten Tun, im neugierigen Blick und in der Freude am Gelingen wie am Misslingen.

Mit ihrer fein durchdachten Struktur entfaltet Helen Goh ein leises, aber kraftvolles Plädoyer für das Backen als Lebenskunst. Jedes Kapitel steht für eine Facette menschlicher Erfahrung – Geben, Pflegen, Feiern, Erinnern, Dazugehören, Bewahren, Wachsen – und macht spürbar, dass das, was in der Küche geschieht, weit über das Rezept hinausreicht: Es ist ein Weg, sich selbst und andere zu verstehen. Helen Goh zeigt, dass jeder Kuchen, jede Geste, jedes Teilen ein kleiner Akt der Menschlichkeit ist – und dass Sinn manchmal dort entsteht, wo Zucker und Zeit miteinander verschmelzen.

3. Zielgruppe

„Backen & der Sinn des Lebens“ ist ein Buch für ambitionierte und neugierige Bäcker*innen – für alle, die mehr wollen als einfache Alltagsrezepte. Die Freude daran haben, Neues zu entdecken, mit Aromen zu spielen und dabei offen für Einflüsse aus aller Welt sind.

Beim ersten Durchblättern wirken viele Rezepte durchaus anspruchsvoll – und ja, man sollte ein wenig Erfahrung mitbringen. Doch wer sich darauf einlässt, wird schnell merken, wie präzise und verlässlich Helen Goh arbeitet. Ihre Rezepte sind so klar aufgebaut und genau formuliert, dass selbst komplexe Kreationen gelingen. Sie erklärt mit einer seltenen Mischung aus Fachkenntnis und Einfühlungsvermögen – ohne Umwege, aber mit spürbarer Sorgfalt.

Das Buch belohnt alle, die sich trauen, etwas Neues auszuprobieren. Wer wagt, wird feststellen: Diese Rezepte halten, was sie versprechen – sie sind präzise, stimmig und führen sicher zum Ziel.

Gleichzeitig ist „Backen & der Sinn des Lebens“ weit mehr als ein Backbuch. Die kurzen, klugen Einleitungen zu jedem Kapitel verleihen ihm eine essayistische Tiefe. Helen Goh schreibt über Sinn, Fürsorge, Erinnerung und Gemeinschaft – Themen, die man beim Lesen fast meditativ auf sich wirken lassen kann. So wird dieses Buch zu einem Begleiter für Menschen, die nicht nur backen, sondern verstehen wollen, welchen Wert das Tun in der Küche – das Kochen und Backen – für das menschliche Leben und das Zusammenleben hat. Damit schlägt die Autorin einen bemerkenswerten Bogen zwischen Alltag und Reflexion, verleiht dem Thema beinahe eine intellektuelle Note, ohne je distanziert zu wirken – eine beeindruckende Leistung.

4. Rezepte und Vielfalt

Anzahl der Rezepte
Mit über 100 Rezepten bietet „Backen & der Sinn des Lebens““ ein ausgesprochen reiches Spektrum, das sowohl inhaltlich als auch formal überzeugt. Die Auswahl reicht von klassischen Tartes, Cakes und Puddings bis hin zu Broten, herzhaften Pies und Gebäckstücken mit regionalen Bezügen aus aller Welt. Trotz der großen Bandbreite wirkt das Buch in sich stimmig – jedes Rezept fügt sich in das thematische Geflecht des jeweiligen Kapitels ein und greift die Idee von Sinn, Fürsorge oder Gemeinschaft auf.

Vielfalt der Rezepte
Der Schwerpunkt liegt deutlich auf der süßen Seite des Backens: Kuchen, Tartes, Crumbles, Mousses und Kekse prägen den größten Teil des Buches. Dennoch finden sich dazwischen auch herzhafte Rezepte – von würzigen Galettes über Pies bis hin zu pikantem Gebäck mit Käse, Kräutern oder Gemüse. Diese Mischung macht das Buch besonders lebendig und sorgt dafür, dass es nie einseitig wirkt.
Besonders hilfreich ist die klare Kennzeichnung spezieller Ernährungsformen: glutenfreie und vegane Rezepte sind gut erkennbar markiert. Zwar machen sie nur einen kleineren Teil der Gesamtauswahl aus, doch sie sind sinnvoll verteilt und eröffnen Leser*innen, die auf bestimmte Zutaten achten müssen, ebenfalls vielfältige Möglichkeiten.

Originalität & Kreativität
In puncto Kreativität gehört Helen Goh zu den spannendsten Stimmen der aktuellen Backszene. Sie kombiniert Aromen und Zutaten aus unterschiedlichsten kulinarischen Kulturen – etwa Tahini, Pandan, Miso, Yuzu oder Sesam – und verleiht selbst traditionellen Rezepten eine neue, oft überraschende Note. Ihre Handschrift ist unverkennbar: mutig, neugierig, zugleich präzise und stilsicher.

Goh gelingt es, vertraute Klassiker neu zu denken, ohne sie ihrer Seele zu berauben. Sie verbindet Techniken der europäischen Patisserie mit südostasiatischen Einflüssen und australischer Bodenständigkeit – und erschafft daraus etwas Eigenständiges, Poetisches, zutiefst Persönliches. Ihre Kreativität zeigt sich nicht im reinen Experiment, sondern in der klugen Balance zwischen Tradition und Neuentdeckung.

5. Schwierigkeitsgrad

Auf den ersten Blick wirken viele Rezepte in „Backen & der Sinn des Lebens“ durchaus anspruchsvoll – und ja, Helen Goh schreibt für Leser*innen, die ein gewisses Maß an Küchenerfahrung mitbringen. Doch der Eindruck täuscht, sobald man sich an die Umsetzung wagt. Denn ihre Anleitungen sind von einer bemerkenswerten Klarheit: präzise formuliert, ohne unnötige Ausschweifungen, dabei so sorgfältig abgestimmt, dass selbst komplexe Gebäckstücke gelingen. Goh versteht es, anspruchsvolle Prozesse in überschaubare Schritte zu gliedern. Ihre Rezepte lesen sich ruhig, fast gelassen, und vermitteln das Gefühl, an die Hand genommen zu werden. Selbst Backformen, Garzeiten oder Temperaturhinweise sind exakt angegeben – nichts wirkt beiläufig oder ungenau. Diese Präzision gibt Sicherheit, selbst wenn man sich an bislang unbekannte Kombinationen oder Techniken wagt.

Damit ist das Buch ideal für ambitionierte Hobbybäcker*innen, die Lust haben, sich weiterzuentwickeln, Neues auszuprobieren und dabei auf höchste Verlässlichkeit zählen wollen. Wer sich Zeit nimmt und den Rezepten aufmerksam folgt, wird mit Erfolgserlebnissen belohnt – und vielleicht sogar mit dem Gefühl, über sich selbst hinauszuwachsen.

6. Fotografie und Design

Bildqualität
Die Fotos stammen von Laura Edwards, die auch schon andere Bücher aus dem Ottolenghi-Umfeld geprägt hat. Sie setzt hier auf eine ruhige, klare Bildsprache, die das Gebäck in den Mittelpunkt stellt, ohne Ablenkung durch Requisiten oder übermäßige Dekoration. Das Licht ist oft weich, mit einem feinen Spiel aus Hell-Dunkel-Kontrasten, wodurch jedes Bild Tiefe bekommt und zugleich eine natürliche, unprätentiöse Stimmung vermittelt. Es ist keine Hochglanzästhetik im klassischen Sinn, sondern eine leise Eleganz, die perfekt zum Ton des Buches passt – ehrlich, alltagstauglich und dabei ausgesprochen schön. Das Foodstyling ist somit Annie Rigg wunderbar gelungen.

Layout und Gestaltung
Das Layout, von Claire Rochford gestaltet, folgt einer klassischen Linie. Die Typografie ist leicht verspielt, aber sehr gut lesbar, und vermittelt ein Gefühl von handwerklicher Sorgfalt. Jedes Rezept ist klar gegliedert: Nach einer kurzen, persönlichen Einleitung folgen die Zutaten – sauber unterteilt in einzelne Bestandteile wie Teig, Füllung oder Glasur – und anschließend die Zubereitung. Am Ende jedes Rezepts finden sich kleine Hinweise oder Tipps zu Lagerung, Servieren oder Varianten, was für zusätzliche Übersicht sorgt.

Unterstützt wird die Orientierung durch eine dezente, aber sehr wirkungsvolle Gestaltung: Die Kapitel-Einleitungen sind auf mattgrünem Papier gedruckt – ein gedeckter Farbton, der Wärme ausstrahlt und dem Buch eine hochwertige, fast bibliophile Anmutung verleiht. Das Papier selbst ist glänzend, die Haptik angenehm glatt. Insgesamt wirkt das Buch edel, ruhig und stimmig.

Einziger kleiner Wermutstropfen: Viele Rezepte erstrecken sich über zwei Seiten, was beim Backen selbst etwas unpraktisch ist, da man beim Arbeiten in der Küche häufig umblättern muss.

Nutzung der Bilder
Fast jedes Rezept ist mit einem Foto versehen, was eine hervorragende Orientierung bietet und die Lust am Nachbacken deutlich steigert. Prozessfotos oder Schritt-für-Schritt-Anleitungen sucht man dagegen vergeblich – doch das ist keine Schwäche, sondern Konzept. Helen Goh gelingt es, allein durch Sprache und Struktur zu führen. Ihre Anleitungen sind so präzise formuliert, dass sie ohne visuelle Hilfen auskommen. Die Bilder von Laura Edwards dienen damit nicht der Erklärung, sondern der Atmosphäre: Sie fangen den stillen Zauber des Moments ein, wenn ein Kuchen frisch aus dem Ofen kommt oder ein Teig im Licht glänzt – und genau das macht ihren Reiz aus.

7. Sprache und Anleitungen

Helen Goh schreibt so, wie sie backt – konzentriert, präzise und dabei auf eine leise Art klar. Ihre Sprache ist frei von jeder Eitelkeit. Sie verzichtet auf überflüssige Ausschmückungen und bringt stattdessen auf den Punkt, was wirklich wichtig ist. Dabei gelingt ihr ein erstaunlicher Spagat: Sie schreibt fachlich fundiert und zugleich zugänglich, sachlich und doch menschlich.

Die Rezeptanleitungen sind vorbildlich strukturiert. Jeder Schritt ist nachvollziehbar, logisch aufgebaut und in sich abgeschlossen. Goh erklärt, ohne zu überfordern, und vertraut darauf, dass Leser*innen aufmerksam lesen. Sie schreibt in einem Ton, der ruhig führt – als stünde sie still neben einem und würde mitdenken, wenn man rührt, knetet oder glasiert.

Bemerkenswert ist, wie wenig Text sie braucht, um komplexe Abläufe verständlich zu machen. Ihre Formulierungen sind knapp, aber präzise – jedes Wort sitzt. So wird selbst der Angstgegner Blätterteig, ein mehrschichtiger Kuchen oder eine aufwendige Füllung zur machbaren Aufgabe. Ergänzt wird das durch kleine, unaufdringliche Hinweise am Ende jedes Rezepts, die helfen, das Ergebnis zu perfektionieren oder flexibel zu variieren.

Auch in den einleitenden Texten vor jedem Kapitel zeigt sich Gohs literarische Begabung. Ihre Sprache hat Tiefe, Nachdenklichkeit und eine leise Poesie. Sie schreibt mit der Haltung einer Psychologin, die weiß, wie eng Essen, Emotion und Erinnerung miteinander verknüpft sind. Dadurch entsteht ein Ton, der zugleich reflektiert und sinnlich ist – warm, ehrlich und voller Respekt vor der Bedeutung des Alltäglichen.

8. Besonderheiten

„Backen & der Sinn des Lebens“ ist ein Buch, das Helen Goh in all ihren Facetten zeigt. Wer sie aus der Zusammenarbeit mit Yotam Ottolenghi kennt, wird hier vieles wiederfinden: ihre spielerische Herangehensweise an Aromen, das Gespür für Balance zwischen Textur und Geschmack, die Neugier auf ungewöhnliche Kombinationen. Doch diesmal geht sie einen Schritt weiter – sie öffnet sich persönlich und lässt die Leser*innen an ihrem Leben, ihrer Herkunft und ihren Gedanken teilhaben.

Man spürt auf jeder Seite, dass dieses Buch ein Stück gelebtes Leben ist. Es erzählt von Erinnerungen, Migration, Gemeinschaft und davon, wie Essen und Backen zu einem Medium werden, über das man Zugehörigkeit, Sinn und Verbundenheit ausdrücken kann. Goh teilt ihre Geschichte, aber auch ihre Haltung: dass das, was wir in der Küche tun, Bedeutung hat – für uns selbst und für das Miteinander.

Sie verbindet kulinarische Kreativität mit einer nachdenklichen, fast philosophischen Ebene. Ihre Texte regen zum Mitdenken an und machen bewusst, wie sehr Kochen und Backen auch soziale und kulturelle Akte sind: Sie schaffen Nähe, schenken Zeit und tragen dazu bei, dass Tradition lebendig bleibt.

„Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.“
An dieses Zitat fühlte ich mich bei der Lektüre immer wieder erinnert, denn genau das gelingt Helen Goh mit diesem Buch. Sie gibt das Feuer weiter – in ihren Geschichten, ihren Rezepten und ihrer Haltung zum Leben. Und wer dieses Buch liest, möchte sofort selbst backen – nicht nur, um etwas Köstliches zu schaffen, sondern um Teil dieses lebendigen Feuers zu werden.

9. Preis-Leistungs-Verhältnis

Preis: 26 GBP (im deutschen Buchhandel derzeit ab 24 Euro zu bekommen)

Mit diesem Preis bietet „Backen & der Sinn des Lebens“ ein geradezu herausragendes Preis-Leistungs-Verhältnis. Für diese Summe erhält man ein hochwertig produziertes Hardcover mit Leseband, exzellentem Papier, fein abgestimmtem Layout und herausragender Druckqualität.

Die stimmungsvollen Fotografien von Laura Edwards, das klare Foodstyling von Annie Rigg und das durchdachte Design von Claire Rochford verleihen dem Buch eine Anmutung, die sonst deutlich höherpreisigen Publikationen vorbehalten ist. Hinzu kommt ein Lektorat, das spürbar sorgfältig gearbeitet hat – fehlerfreie Texte, präzise Angaben und eine stimmige Gesamtgestaltung machen das Buch zu einem Genuss auf jeder Ebene.

Angesichts der inhaltlichen Tiefe, der literarischen Qualität der Texte und der Fülle an Rezepten ist der Preis mehr als gerechtfertigt – er ist fast erstaunlich niedrig. „Backen & der Sinn des Lebens“ ist in jeder Hinsicht ein Must-have für passionierte Bäcker*innen, aber auch für alle, die das Backen als Ausdruck von Kreativität, Achtsamkeit und Lebensfreude verstehen. Ein Buch, das seinen Wert nicht nur in Seiten misst, sondern in Inspiration.

10. Gesamteindruck und Empfehlung

„Backen & der Sinn des Lebens“ ist eines jener seltenen Bücher, bei denen einfach alles stimmt: Inhalt, Gestaltung, Sprache und Gefühl. Helen Goh gelingt mit diesem Werk etwas, das weit über das Backen hinausgeht – sie verbindet kulinarische Perfektion mit menschlicher Tiefe, ästhetischer Klarheit und einer Wärme, die jede Seite durchzieht.

Dieses Buch ist klug, inspirierend und tröstlich zugleich. Es erinnert daran, warum wir überhaupt backen: um zu teilen, zu nähren, zu erinnern, zu feiern. Und es macht deutlich, dass in jedem Kuchen, in jeder Geste am Küchentisch – in jedem Akt des Gebens – ein Stück Menschlichkeit steckt.

Selten hat ein Backbuch so viel zu sagen – über Geschmack, über Leben, über Gemeinschaft. Für mich ist es eines der besten Bücher des Jahres 2025, ein echtes Herzensbuch und ohne Frage ein LeseLust-&-Löffel-Liebling.

Ich freue mic, dass bald auch eine deutsche Ausgabe erscheinen wird – denn dieses Buch verdient es, weit über den englischsprachigen Raum hinaus gelesen zu werden. Es ist mehr als ein Backbuch: Es ist ein Buch über das Leben – und über das, was uns alle miteinander verbindet.

11. Bewertung

Gesamtbewertung: 🥄🥄🥄🥄🥄 🥄

Bewertung nach Kategorien:
• Inhalt und Konzept: 🥄🥄🥄🥄🥄🥄
• Zielgruppe: 🥄🥄🥄🥄🥄
• Rezepte und Vielfalt: 🥄🥄🥄🥄🥄🥄
• Schwierigkeitsgrad: 🥄 🥄🥄
• Fotografie und Design: 🥄🥄🥄🥄🥄🥄
• Sprache und Anleitungen: 🥄🥄🥄🥄🥄🥄
• Besonderheiten: 🥄🥄🥄🥄🥄🥄
• Preis-Leistungs-Verhältnis: 🥄🥄🥄🥄🥄🥄

12. Nachgekocht

Puttanesca Galette mit Zitronen-Ricotta (S. 33)
Schon der Teig ist eine Wucht: er wird mit etwas Vollkornmehl gemacht und vor allen Dingen mit geriebenen Parmesan darin. Außerdem kommt zum Eiswasser noch etwas Milch und Zitronensaft. Das ist schon mal eine tolle Basis und vor allem auch ein Teig, der sich super gut verarbeiten lässt. 
Für die Füllung werden Zwiebeln in Ringen angebraten und mit frischem Thymian, Knoblauch und Chili gewürzt. 
Dann wird noch eine Ricotta Creme angerührt, in die Sardellenfilets kommen und viel Zitronenschale. Auf den ausgerollten Teig kommt dann erst die Ricotta Creme, dann die Zwiebeln, dann ein Teil des Toppings aus schwarzen Oliven, Kapern und Petersilie, dann werden noch halbierte Kirschtomaten aufgelegt und die restliche Creme dazwischen verteilt. Und danach darf alles in den Ofen. Eigentlich sollte der Rand noch mit Ei bestrichen werden, aber das war mir dann doch nicht wichtig. 
Ein tolles Rezept, das wohl hier zum Klassiker werden wird. 😋
Pflaumen-Pistazien-Riegel (S. 72)
Ich habe mich der Form widersetzt und das Ganze einfach als runden Kuchen gebacken. Ein sehr feiner Mürbeteig gibt einen wunderbaren Knusperboden, darauf kommt ein ebenso feiner Rührteig mit viel Butter, Eiern, Zitronenabrieb und Pistazien und Mandeln. Ich habe Zwetschgen statt roter runder Pflaumen verwendet, die Frucht begleitet hier sanft – ganz feiner, toller Kuchen.
Bulgur Brot (S. 38)
Ein schnelles Brot ohne Hefe, dafür mit Ei, Milch und Olivenöl. Dazu kommen Weizenvollkornmehl, Mehl, Backpulver und Natron sowie Aleppo Pfeffer, Kreuzkümmel, Pfeffer und Zucker. Frische bringen Frühlingszwiebeln, Petersilie und Minze und Bulgur, der in Wasser und Zitronensaft – und Schale vorher kurz quellen darf. Es entsteht ein wunderbar aromatisches Brot, das zum Brunch oder einem bunten Abendbrot-Teller genauso gut schmeckt wie als Begleiter zu einer Suppe oder beim Grillen. Tolle Entdeckung!

 

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